"Wir haben kein Problem, Material als OER freizugeben."
Frau Schumm-Tschauder, wir reden im Bildungsbereich heute häufig über OER. Wann sind Sie selber das erste Mal über diese drei Buchstaben gestolpert?
Ich muss gestehen, relativ spät. Das war Mitte 2013.
In Deutschland sind OER tatsächlich auch erst seit zwei Jahren ein wirkliches Thema.
Deutschland war da nicht Spitzenreiter. Andere Länder waren wirklich weiter. Wenn man aber an die Pariser Deklaration der UNESCO denkt, das war 2012, dann waren wir gar nicht so weit hinten an. Deutschland hat sehr schnell aufgeholt und entschieden, Richtung OER zu gehen.
Die Siemens Stiftung hat als eine der ersten Institutionen viel Material als OER herausgegeben. Was bedeutet das für Sie als Stiftung? Warum tun Sie das?
Ich komme erst mal zur Definition von Open Educational Resources. Laut UNESCO ist das Material, das kostenfrei, frei zugänglich und möglichst frei bearbeitbar oder benutzbar ist. Daraus ergeben sich zwei wichtige Punkte, warum sich die Siemens Stiftung dafür einsetzt: Erstens ermöglicht man damit Menschen, die bisher keinen Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung hatten, einen Zugang, da die Materialien frei zugänglich sind. Der zweite Punkt betrifft die Inklusion, also die Heterogenität innerhalb der Klasse. Sie können OER-Materialien frei nutzen, verändern, austauschen und sogar wiederveröffentlichten – wenn sie ganz wenige Dinge beachten.
Haben Sie nicht Angst, dass sich die Materialien in Kanäle verbreiten, die sie sich eigentlich nicht wünschen?
Wir haben es im Bildungsbereich mit verantwortungsvollen Menschen zu tun. Deren Interesse ist es, die Materialien gut zu verwenden und einzusetzen. Daher haben wir kein Problem, Material als OER freizugeben.
Eine digitale Gesellschaft muss auch digitale Verantwortung übernehmen. Fachkräfte machen das im Bildungswesen?
Ja, das tun sie.Wobei wir noch sehr darauf achten müssen, dass wir genau da noch Kompetenzen aufbauen. Sowohl bei den Lehrern als auch bei den Schülern. Im Grunde bei jedem, der solche Materialien nutzt.
Das klingt alles auch ein bisschen nach idealer Welt. Aber welche Herausforderungen gibt es?
Frei heißt nicht rechtlos. Das Urheberrecht gibt es weiterhin. Nur haben die Nutzer bei OER die Möglichkeit, auf das Urheberrecht eine Standardlizenz zu setzen, die es vereinfachen soll, mit diesen Materialien umzugehen. Diese Nutzungsbedingung der Standardlizenz müssen sie sich natürlich anschauen.
Wir sind hier auf dem Schulleiterkongress, welche Tipps könnten Sie den Schulleitern zu diesem Thema mit auf den Weg geben?
Das Erste ist natürlich die Information, denn viele wissen noch gar nicht, was sich hinter OER verbirgt. Aufklären ist ebenso wichtig: Was sind die Materialien? Was kann man damit machen? Was darf man damit nicht machen? Dann sollten Schulleiter ihre Lehrkräfte dazu ermutigen, im Team zu arbeiten. Sich Materialien von Plattformen, die es inzwischen schon gibt, herunterzuladen. Von dort also, wo es ganz klare Rechtssicherheit gibt. Wo man ganz klar sieht, diese Materialien sind unter einer Standardlizenz. Sie sollten natürlich dazu ermutigt werden, die Materialien auch mal anzufassen und anzupassen. Um sie dann vielleicht wiederum unter eine solche Lizenz zu stellen - und sie weiter zu geben.
Das Interview führte Thomas Schmidt im Rahmen des DSLK 2016.
Maria Schumm-Tschauder ist Projektleiterin des Medienportals, dem Online-Portal des Bildungsprogramms Experimento der Siemens Stiftung.
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