Ich benutze hauptsächlich WhatsApp, Instagram und Snapchat, um mit meinen Kindern in Kontakt zu bleiben. Beruflich nutze ich oft die Notizfunktion. Ich höre ziemlich viel Musik und schaue auch mal auf den Wetter-Service, damit ich weiß, wann ich meine Runtastic-App nutzen kann. Aber ich mache seit Dezember letzten Jahres einen Selbstversuch. Das heißt, ich habe die Mailfunktion für die Arbeit nicht eingerichtet.
Ich lebe noch, ja. (lacht) Ich finde das sehr gut. Es ist entschleunigend, aber auch ein bisschen umständlich. Wenn ich mal unterwegs meine Mails checken will, muss ich meinen Laptop oder das Tablet rausholen.
Bevor ich Ihre Fragen beantworte, eine wichtige Sache vorweg: Für den Kindersoftwarepreis arbeiten wir mit Bibliotheken zusammen, in die die Kinder zum Testen kommen. Nicht alle Familien können sich teure Geräte leisten. Digitale Medien, also Apps, Spiele, Konsolen oder elektronische Spielzeuge sind nicht immer günstig. Durch die Kooperation mit den Bibliotheken können alle teilnehmen. Mir geht es da immer auch um Demokratievermittlung: Jeder kann kommen und mitmachen. Was wir dann vor allem wissen wollen ist: Wie finden Kinder die Sachen, die für sie gemacht wurden. Es ist ja nicht so, dass das, was Erwachsene gut finden, immer auch von Kindern angenommen wird.
Genau. Es geht darum, dass Kinder sich Gedanken machen. Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Es ist ein großer Unterschied, ob Sie ein Buch für die Schule lesen und eines zuhause. Genauso verhält es sich mit Spielen. Wenn man ein Spiel zu seinem Vergnügen spielt, spielt man es anders, als wenn man es danach bewerten muss. Bei uns sollen die Kinder vergleichen, bewerten und mit anderen Kindern diskutieren. Sie sammeln ihre Eindrücke und lernen, diese zu formulieren und aufzuschreiben. In diesem Prozess kommen sehr viele Kompetenzen zusammen. Und natürlich spielt dann auch das Demokratieverständnis eine Rolle. Denn nicht zwingend gewinnt am Ende das Spiel einen Preis, das eine der Jurygruppen in einer der 20 teilnehmenden Bibliotheken gewählt hat.
Ich werde oft gefragt, ab welchem Alter man Kindern Messenger-Dienste und soziale Netzwerke empfehlen kann. Für Eltern ist diese Orientierung wirklich wichtig. Aber ist das die richtige Fragestellung? Die Frage sollte meiner Meinung nach lauten: Was ist realistisch? Instagram, Snapchat und Facebook - das sind die digitalen Spielplätze von heute. Es gibt immer wieder Eltern, die sagen: „Oh, WhatsApp, das ist eine Datenkrake. Geht doch lieber zu Threema." Aber jetzt stellen sie sich mal einen Spielplatz vor, bei dem alle Spielzeuge aus
Holz sind, der total sicher ist und bei dem die Kinder auch mal hinfallen können, ohne sich zu verletzen. Da ist nur keiner, der mit ihnen spielt! Die ganzen Freunde, die man hat, die sind nämlich auf diesem anderen Spielplatz.
Richtig. Was ich damit sagen will: Es ist realistischer, Kinder auf mögliche Gefahren und Probleme gut vorzubereiten, damit sie im Falle eines Falles wissen, wie sie reagieren sollen, um im Notfall angstfrei zu agieren. Das ist Medienkompetenz.
Absolut unrealistisch.
Es ist immer schwierig, ein Alter zu nennen. Nicht alle Sechsjährigen sind gleich und auch nicht alle Acht- oder Zehnjährigen. Der eine ist verträumt, der andere total technikaffin. Kinder kommen das erste Mal über ihre Eltern mit Apps in Berührung. Das zweite Mal, wenn sie ihr eigenes Smartphone bekommen. Sobald ein Kind ein Smartphone bekommt, muss man es auf das Internet vorbereiten. Denn dann hat es freien Zugang zum Netz. Und man muss es ebenso darauf vorbereiten, welche Chancen und Gefahren damit verbunden sind. Es geht hier also um das Thema Eigenverantwortung. Als Elternteil ist die Kontrolle nicht ganz einfach, wenn das Kind ein Smartphone besitzt.
In-App-Käufe sind ein wichtiges Thema. Die sind nicht per se schlecht, um neue Level zu kaufen. Aber wenn es im Spiel ohne den Kauf von Items gar nicht mehr weitergeht, kann ich diesen Zwang nicht gut heißen. Bei free-to-play wäre ich immer vorsichtig, ob es auch wirklich kostenlos bleibt. Wenn Kinder Geld mit einer Gutscheinkarte ausgeben, dann sollten sie sich ähnlich wie beim Taschengeld ein Limit setzen, damit sie ein Auge auf ihre Ausgaben haben. Generell finde ich es auch wichtig, dass die Spiele Kinder nicht unter Druck setzen, ihnen sowohl inhaltlich als auch zeitlich keine Bedingungen setzen und sich natürlich mit Klingeltönen und Nachrichten zurückhalten.
Das stimmt. Schon oft habe ich mich gefragt, warum gerade in diesem Bereich meist vom Problem her gedacht wird. Apps und digitale Medien im Allgemeinen bieten doch jede Menge Chancen. Apps, Smartphones und Tablets sind exzellente Gestaltungsmedien, mit denen jeder schreiben, fotografieren und Bilder bearbeiten darf. Das Ergebnis kann sofort im Internet veröffentlicht werden. Ein eigenes eBook zu erstellen ist mit diesen Mitteln überhaupt kein Problem „Book Creator“ und „Comic Life“ zum Beispiel sind sehr gute Apps. Wenn Kinder mit solchen Dingen arbeiten, dann können sie natürlich beim Umgehen mit kreativen Werkzeugen auch mal darüber reden, was mit Fotos geht und was nicht geht? Was ist erlaubt? Was ist ein Persönlichkeitsrecht? Während Kinder ihre eigenen eBooks oder Fotoromane basteln, können so Problematiken viel besser besprochen werden. Gestaltungsapps sind übrigens auch gute Alternativen, damit Kinder eben nicht nur spielen. Viele Kinder nutzen ja auch nur Spiele-Apps, weil sie viele andere Sachen gar nicht kennen.
Das Interview führten Insa Gronewold und Katja Liebigt.