Direkt zum Seiteninhalt

Wir brauchen digitale Zivilcourage

Lesezeit: Minuten
Es braucht sie im Sport, in der Schule oder am Arbeitsplatz. In der Öffentlichkeit, in der Schule und in Vereinen ist sie unerlässlich. Und sie ist in der digitalen Welt nötig, denn diese gehört längst zu unserem Alltag. Aber sie ist selten selbstverständlich: Die Rede ist von der Zivilcourage.

Was wir fühlen, tun und denken, wird durch unser soziales Umfeld mitgeprägt. Wir möchten dazu gehören und sind bereit, von Freunden und Bekannten Dinge zu akzeptieren, hinter denen wir nicht unbedingt stehen. Das betrifft auch das Liken von Posts und das Teilen von Inhalten. Sympathie zu dem, der postet und zu der Gruppe, aus der heraus das passiert, ist manchmal wichtiger als der Inhalt. Wir lesen nur die Überschrift und den Absender und entscheiden über gut und nicht gut. Die Frage: "Bist Du für oder gegen uns?" ist mitunter wichtiger als die Auseinandersetzung mit dem Post und seinem Inhalt selbst.

Hat sich unser Verhalten geändert?

In den vergangenen Jahren haben sich weltweit neue Formen von Ausgrenzung, Diskriminierung, Fremdenfeindlichkeit, Intoleranz, Propaganda und Falschinformationen im Netz entwickelt. In Kommentarspalten und in sozialen Netzwerken finden sich eine Masse an Extremismus, Radikalismus und Populismus. Insgesamt ist der Ton in Kommentarspalten und sozialen Netzwerken rauer geworden und mit Falschmeldungen sowie Hassreden angefüllt.

Aber nicht nur fremdenfeindliche Gruppen oder Internet-Trolle nutzen digitale Medien, um Menschen auszugrenzen oder zu diffamieren und so die Demokratie zu gefährden. Auch der Hass gegen Einzelne, das Mobbing, hat sich in die digitale Welt verlagert und eine neue Dimension gewonnen.

Schon unter den 12- bis 19-Jährigen geben laut aktueller "JIM-Studie" 37 Prozent an, dass in ihrem Bekanntenkreis schon einmal jemand von Cybermobbing betroffen war. Je älter die Jugendlichen sind, desto höher ist der Anteil derer, die schon von so einem Fall erfahren haben, so die Studie.

Die Verrohung, die sich in den vergangenen Jahren in den sozialen Netzwerken durch Hate Speech und Cybermobbing zeigt, kann zwar alle Menschen treffen, doch es trifft vor allem die Schwächeren und diejenigen, die zu einer Randgruppe gehören. Aber diese Verrohung geht nicht von einer Mehrheit der Internetnutzer aus. „Vielmehr haben sich die, die eine andere Meinung haben, zurückgezogen“, wie der Netzaktivist Markus Beckedahl in einem Deutschlandfunk-Interview erläutert. Viel zu oft bleiben Nicht-Betroffene passiv: Anfeindungen bleiben sichtbar und unkommentiert stehen. Es wird weggeschaut, viel zu selten werden die Betroffenen verteidigt oder die Täter auf ihr Verhalten angesprochen.

Es gibt keinen Grund abzuwarten

Wenn sich Hass, Feindseligkeiten und Lügen in den vergangenen Jahren im digitalen Leben verstärkt zeigen, wie können wir passend darauf reagieren? Es ist wichtig, dass eine demokratische Gesellschaft, in der die Würde des Menschen im ersten Artikel des Grundgesetzes festgeschrieben ist und die den Menschen unabhängig von Merkmalen wie etwa Herkunft, Geschlecht oder Alter dieselben Rechte garantiert, sich gegen Ausgrenzung und Intoleranz in der digitalen Welt engagiert.

Die rasante Entwicklung zeigt, dass demokratische Werte und ein friedliches Miteinander nicht einfach gegeben sind. Umso wichtiger ist es, dass sich jeder Einzelne aktiv für diese Grundsätze einsetzt. Was es braucht, ist Zivilcourage, die Fairness, Toleranz und gegenseitige Rücksichtnahme auch in der digitalen Welt in den Blick nimmt und Solidarität mit Andersdenkenden und Minderheiten zeigt – eine digitale Zivilcourage!

Digitale Zivilcourage beginnt im Kleinen

Damit sich das soziale Klima in der digitalen Welt verbessert, braucht es Menschen, die Verantwortung übernehmen und die bereit sind, sich für andere einzusetzen. Empathie offen zu zeigen und Betroffenen Unterstützung anzubieten, egal ob bei Hate Speech oder Cybermobbing, ist enorm wichtig. Denn wer davon betroffen ist, fühlt sich häufig in seinem Selbstwertgefühl herabgesetzt und durch solche Angriffe isoliert. Das Schweigen der Mitlesenden ist fast so verletzend wie der Hass selbst.

Darum ist Empathie eine wichtige Voraussetzung für Zivilcourage. Sie ist ebenso relevant, wie das eigene Handeln zu hinterfragen und anderen Meinungen gegenüber mit Respekt zu begegnen. Obwohl es in den meisten Fällen von Widerstand zu keinen Folgen für den Mutigen kommt, reagieren nur wenige. Die Mitlesenden, sogenannte Bystander, geben an, nicht zu wissen, was wirklich hilft und was man überhaupt tun kann.

In der vermeintlichen Anonymität der digitalen Welt ist es wichtig, Betroffenen von Anfeindungen aktiv zur Seite zu stehen. Das kann in einer Online-Diskussion ein Like, ein positiver Kommentar oder der Anspruch sein, einen Angreifer zur Rede zu stellen oder zu melden, wenn es nötig ist. Die wenigsten wissen, dass bei Übergriffen in der digitalen Welt die Polizei genauso zuständig ist wie in der analogen Welt.

Zivilcourage und Engagement fangen in der digitalen wie in der anlogen Welt im Kleinen an, egal ob nun in der Schule, dem Sportverein, am Arbeitsplatz oder in der Chatgruppe. Denn wie wir uns selbst ausdrücken und verhalten, prägt immer unser soziales Umfeld mit. Im Netz wird dem Hater viel zu oft nicht geantwortet oder ein Kommentar entgegengesetzt. Das Ziel sollte jedoch sein, die schweigende Mitleserschaft, die sich oft noch gar keine Meinung gebildet hat, zum Nachdenken zu bewegen und ihnen eine Alternative für ihr Handeln anzubieten – Zivilcourage.

Hat dieser Artikel gefallen?
Weiterlesen im Dossier „Digitale Zivilcourage“
/mediabase/img/cache/5097_740x740.jpg In sozialen Netzwerken erleben Kinder und Jugendliche auch viele Schattenseiten des Internets. Umfrage: Zeigen Sie Engagement im Netz?
/mediabase/img/cache/5376_740x740.jpg Wir zeigen in unserem Webcast, wie Sie Kinder für das Thema "Fake News" sensibilisieren können. "Fakten, Fakten, Fake, Fakten"

Hass entgegentreten

Interaktives Lernmodul: Digitale Zivilcourage

Katharina Nocun im Interview

Sophia Oppermann im Interview

Digitale Zivilcourage – so geht’s!

Projektidee: Wortwäsche

Neuigkeiten

News
20.11.2024
Fehlende Altersprüfung: Größtes Risiko für Kinder in Online-Diensten
Viele Plattformen prüfen das Alter ihrer Nutzer nicht ausreichend – über 7.600......
13.11.2024
Verantwortung beim Teilen von Kinderfotos im Netz
„Süße Erinnerungen - gefährliche Spuren“ lautet der Titel einer neuen...
7.11.2024
Gemeinsam gegen (Cyber-)Mobbing: Unterstützungsangebote für Betroffene
Zum internationalen Tag gegen Mobbing und Cyber-Mobbing rufen „klicksafe“, „Love...

SCROLLER

Bild
Tablet, Toys und Trends: Wie sieht das Kinderzimmer der Zukunft aus? SCROLLER 07 hat sich die Spielewelten von heute angeschaut.
Zum SCROLLER 07

Straßenumfrage

Was bedeutet Verantwortung in der digitalen Welt? Teachtoday hat sich zum Thema umgehört.
Zur Umfrage

Big Data

Bild
Heute werden in der digitalen Welt gigantische Mengen an unterschiedlichsten Daten gesammelt und automatisiert ausgewertet.
Jetzt informieren

SCROLLER

Bild
In der 5. Ausgabe des SCROLLER geht es um Trends, Wünsche, Onlineshopping und um die wichtige Frage, ob man immer alles kaufen muss.
Kostenfrei bestellen

Artikel teilen!

Den Beitrag mit einem Klick weitergeben!

Teilen