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Cybermobbing ist kein Kavaliersdelikt

Lesezeit: Minuten
Carola Johannsen ist Polizeihauptkommissarin und Präventionsberaterin in der Polizeiinspektion Güstrow. Sie leistet Aufklärungsarbeit an Schulen hinsichtlich der Strafbarkeit von Kindern und Jugendlichen bei der Mediennutzung und führt intensive Medienbildung bei Kindern ab dem Grundschulalter durch.

Teachtoday sprach mit Carola Johannsen über den zunehmenden Bedarf an Präventionsarbeit an Schulen und wie wichtig Medienkompetenz bei Kindern ist.

Frau Johannsen, können Sie beschreiben, was Ihre Präventionsarbeit leistet?

Die Polizeiinspektion Güstrow ist für den Landkreis Rostock zuständig. Dort sind aktuell fünf Polizeivollzugsbeamte, die an verschiedenen Einrichtungen Informations- und Aufklärungsveranstaltungen durchführen. Zwei Beamte arbeiten als Präventionsberater im Verkehrsbereich und die anderen drei in der Kriminalprävention. Hauptsächlich bin ich im Bereich der Kriminalprävention tätig. Ich erarbeite mit den Schülern gemeinsam, wann sich jemand strafbar macht und wo Strafbarkeit anfängt. Nicht nur im Hinblick auf das Alter, sondern auch, ob Beschimpfungen oder Beleidigungen schon Straftaten sein können oder ob eine Straftat tatsächlich erst bei einer Körperverletzung beginnt. Wir erklären, was Straftaten und Strafandrohungen sind und wie sich die Sachlage im Internet verhält.

Gehen Sie auf die Schulen zu oder wenden sich die Schulen an Ihre Präventionsstelle?

Wir arbeiten mit den Schulen zusammen und vereinbaren weit im Voraus Termine für Präventionsveranstaltungen, sodass ein Schuljahr gut durchgeplant ist. Primär ist unsere Arbeit darauf ausgerichtet, aufzuklären und die Schüler zu sensibilisieren. Unser Ziel ist es, in den Schulen gewesen zu sein, bevor z. B. ein Mobbingfall eintritt. Insbesondere haben die Anfragen zu medienspezifischen Präventionsthemen zugenommen.

Warum glauben Sie, ist der Bedarf an Aufklärungsarbeit an den Schulen so hoch?

Schulen haben Lehrpläne, an die sie sich halten müssen und prüfen, wie sie Themen wie „Medienkompetenz“ integrieren können. Jedoch ist die Bildung der Medienkompetenz ein Zusammenspiel zwischen Eltern, Kindern und Schule. Die Kinder nutzen Medien, haben aber mögliche Grenzen und Konsequenzen nicht im Blick. Ich habe das Gefühl, dass jüngere Lehrkräfte offener und eher bereit sind, die Schüler bei dem Thema Medien zu unterstützen. Zusammenfassend kann ich sagen, dass ein hoher Bedarf an Aufklärung zu den Themen Cybermobbing, Nutzung diverser Apps sowie Urheberrechtsverletzungen besteht.

Welches inhaltliche Spektrum decken Sie bei Ihrer Aufklärungsarbeit ab?

Neben den positiven Seiten, die die Nutzung eines Smartphones mit sich bringt, gibt es auch viele Gefahren, über die wir in unseren Veranstaltungen aufklären. Hier werden die verschiedensten Schlagworte, wie Trojaner, Hacker, Viren und Abo-Fallen thematisiert. Weitere Themen, die angesprochen werden, sind Kettenbriefe, fehlgeleitete Suchanfragen sowie das sogenannte Cyber-Grooming. Wir versuchen, den Schülern zu vermitteln, dass sie sich vorher Gedanken darüber machen müssen, was und wie sie posten. Eltern, Kinder und auch Lehrkräfte müssen im Austausch stehen. Es ist nicht immer allen bewusst, welche Risiken mit der Nutzung des Internets verbunden sein können. Meist werden bekannte Risiken in Kauf genommen und einfach ignoriert. Merksatz für alle Internetnutzer: Einmal im Netz, immer im Netz!

Welche Erfahrungen haben Sie gemacht? Ab wann besitzen Kinder heute ein Smartphone?

Mit der Medienbildung beginnen wir in den vierten Klassen. Ich bin mit diesem Thema seit 2014 in den Schulen aktiv unterwegs und stelle fest, dass der Besitz von Smartphones bei den Kindern deutlich angestiegen ist. 2014 hatten von 25 Schülern 20 ein Smartphone. 2019 waren es bereits 24 Schüler, die ein eigenes Smartphone hatten, obwohl sie die Frage „Woher das Internet kommt?“ meist nicht beantworten können. Es gibt auch Kinder, die mir ganz stolz erzählen, dass sie ihr Smartphone bereits in der ersten Klasse in der Schultüte hatten. Wohl bemerkt, dass die meisten Kinder dann auch erst mit dem Lesen anfangen.

Und wie gehen die Eltern mit dem Thema eigenes Smartphone fürs Kind um?

Bei den Eltern habe ich das Gefühl, dass sie nicht immer bewusst entscheiden, ob ihr Kind wirklich schon bereit für ein eigenes Smartphone ist. Wenn ich die Schüler frage, ob ihre Eltern sie begleiten und fragen, was sie im Internet machen und spielen, verneint der Großteil. Nur in seltenen Fällen haben Kinder ein Smartphone mit eingeschränktem Zugang oder werden von ihren Eltern gefragt, was sie damit machen. Häufig hängt der Erhalt des ersten Smartphones mit dem Kauf eines neuen Geräts für ein Elternteil zusammen. Das Kind bekommt das „alte“ Smartphone, weil es noch gut ist. Auf diesem ist aber auch schon alles drauf: Spiele, Fotos, Google, YouTube, WhatsApp sowie andere Apps.

Wie präsent ist das Thema Cybermobbing?

Sehr präsent, denn fast jede Klasse berichtet darüber. Als Einstieg ins Thema nutze ich den bekannt gewordenen Cybermobbing-Fall aus Memmingen. Cybermobbing ist kein Kavaliersdelikt. Was das Mobbing mit Tätern und Opfern macht, versuche ich den Schülern ins Bewusstsein zu rufen. Viele verstecken sich bei ihren Äußerungen hinter dem technischen Endgerät und bedenken nicht, welche Emotion diese Nachricht bei dem anderen auslöst. Ich habe festgestellt, dass Schüler kaum in der Lage sind, regulierend einzugreifen, wenn unangenehme bzw. unangemessene Nachrichten verbreitet werden. Hier gebe ich Verhaltenshinweise.

Bieten Sie gezielt Beratungsstunden für Eltern an?

Informations- und Aufklärungsveranstaltungen für Eltern bieten wir bei Bedarf vor organisatorischen Elternabenden in den Schulen an. Mögliche Präventionsthemen sind Drogen/Alkohol, sicherer Umgang mit dem Smartphone/Internet oder Sichtbarkeit im Straßenverkehr.

Das Interview führten Steffi Weinert und Ana Julia Rahmani

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