Ja sicher, so wie die privaten Daten aller Menschen. Um festzustellen, wie wertvoll Daten heute sind, muss man nur die Top 10 der teuersten Unternehmen der Welt anschauen. Bei vier der Unternehmen sind Daten essenzieller Bestandteil des Geschäftsmodells. Bei Google und Facebook machen die privaten Daten dabei auch noch den Großteil des Firmenvermögens aus.
Private Daten werden heute meistens von Unternehmen genutzt, um das Verhalten von Personen vorherzusagen. Beispielsweise um Werbung genau so zu schalten, dass eine Person ein Produkt kauft, d.h. möglichst stark diese Person manipuliert. So wird auch immer mehr bei Banken und Versicherungen versucht, mit den Daten vorherzusagen, ob eine Person ein Geschäftsrisiko darstellt. Wird diese Person anhand ihres bisherigen Verhaltens dazu neigen, einen Kredit nicht zurück zu zahlen, oder wird sie dazu neigen mit dem Auto einen Unfall herbeizuführen? Für die Unternehmen sind solche Vorhersagen natürlich lukrativ.
Problematisch ist dieses Vorgehen unter anderem deshalb, da wir als Betroffene keine Informationen bekommen, mit welchen Daten und Bewertungsmaßstäben Entscheidungen getroffen werden. Ob die Daten oder die Bewertungsmaßstäbe stimmen, ist nicht überprüfbar, man ist den Unternehmen ausgeliefert. Der Staat versucht ebenfalls, solche Vorhersagen mit den Überwachungsinstrumenten wie Vorratsdatenspeicherung zu treffen. Aufgrund der bekannten Daten muss man allerdings sagen: Ohne viel Erfolg. Generell sind Vorhersagen über das Verhalten von Personen in der Zukunft immer fragwürdig, Menschen können sich ändern.
Welche Rechte fordert eine App an und wofür braucht sie diese? Ein Spiel braucht im Normalfall keinen Zugriff auf meinen Standort oder meine Kontakte. Außerdem ist es immer wichtig zu hinterfragen, warum jemand diese App entwickelt hat. Wenn es keine Open-Source-Apps sind, stehen eigentlich immer finanzielle Interessen im Hintergrund. Die Frage, die man sich dann stellen muss, ist: Woher kommt das Geld? Und für welche Gegenleistung?
Wir werden immer mehr zum gläsernen Bürger beziehungsweise gläsernen Kunden - und haben keine Kontrolle mehr über unsere Daten. Daten verfallen ja nicht irgendwann, sondern sammeln sich an. Außerdem können sie technisch beliebig weiterverkauft oder gestohlen werden. Welche Konsequenzen sich daraus ergeben werden, ist auch für Experten nicht abzusehen. Die Teile, die man weiß, lassen nicht viel Gutes erahnen. Beispielsweise führt es zur Zentralisierung von Macht. Umso größer die Datenbestände sind, umso mehr vermeintliche Erkenntnisse kann man daraus gewinnen.
Daher werden die datengetriebenen Unternehmen sehr wenige riesige Konzerne bilden. Für kleine und mittlere Unternehmen wird daneben nicht mehr viel Platz sein. Es führt zum Beispiel auch für den einzelnen Nutzer zu einem hohen Anpassungsdruck: Wenn man aus der Reihe tanzt, bekommt man keine Kredite, Versicherungen, Arbeitsplätze oder landet in Netzen des Überwachungsstaates.
Meistens nicht ausreichend genug. Auch bei den jungen Eltern, die zu den ersten Digital Natives gehören, fehlt ein grundlegendes Verständnis dafür, warum Datenschutz wichtig ist und wie man ihn einhält.
Das sollten sie sein, wie generell im Umgang mit dem Internet. Um Kindern den Umgang mit dem Internet zu vermitteln, sollten wir einen Vergleich mit dem Straßenverkehr ziehen. Beim Straßenverkehr nehmen wir die Kinder auch zu Beginn an die Hand und erklären ihnen alles. Über Jahre lassen wir sie an immer mehr Bereichen des Straßenverkehrs teilnehmen. Zuerst geführt, dann begleitet und dann alleine.
Im Gegensatz zum Straßenverkehr gab es beim Internet keine lange Eingewöhnungszeit über mehrere Generationen hinweg. Daher bedarf es einer expliziten Beschäftigung mit dem Internet, vor allem bei den Themen Datenschutz und Medienkompetenz. Beim Datenschutz ist, wie schon dargelegt, nicht absehbar, welche Konsequenzen sich ergeben, daher sollte man generell auf Datensparsamkeit achten. Man sollte sich vor jeder Information, die man dem Internet gibt, überlegen: Würde ich diese Information auch herausgeben, wenn mich eine wildfremde Person auf der Straße danach fragt? Dies betrifft explizit auch das Suchfeld bei Google.
Wichtig ist allerdings auch Medienkompetenz. Nur, weil jemand eine Information ins Internet gestellt hat, muss diese nicht wahr sein. Vor allem muss man sich dabei auch mit psychologischen Effekten wie dem Bestätigungsfehler und dem Echokammer-Effekt beschäftigen und aktiv dagegen arbeiten.
Die genannten Punkte müssen natürlich auch in Schulen präsent sein. Auch hier ist vor allem problematisch, dass die Entwicklungen sehr schnell vonstatten gehen und die Bildungspolitik mit ihren starren Strukturen nur langsam hinterherkommt und teilweise auch aktiv durch Lobbyarbeit behindert wird.
Bei Kindern ist fraglich, ob sie kognitiv in der Lage sind, Entscheidungen zu ihrer Privatsphäre adäquat treffen zu können. Nicht umsonst sind sie bis zu einem gewissen Alter nicht geschäftsfähig. Deshalb sollte auch das Einsammeln von Daten der Kinder verboten sein. Bei Jugendlichen muss man nur mal fragen, ob man ihre Nachrichten auf dem Smartphone lesen darf, dann ist schnell klar, dass auch Jugendlichen die Privatsphäre wichtig ist.
Zur Person: Martin Vietz ist Wirtschaftsinformatiker und arbeitet als freiberuflicher Softwareentwickler. Er engagiert sich beim Verein Entropia und beim Chaos Computer Club. In seiner täglichen Arbeit beschäftigt er sich im Besonderen mit der Technikfolgeabschätzung im Verhältnis zu Bürgerrechten.
Das Interview führte Martin Daßinnies.
Interaktives Lernmodul: Datenschutz